Das war ein Lese-Herbst, der doch noch viele lesenswerte Bücher brachte, die alle, neben auch anderen Schwerpunkten, den Umgang mit "Eingefrorensein" thematisieren.
Einer meiner Favoriten war "H wie Habicht" von Helen Mcdonald:
Es fällt mir schwer, dieses Buch angemessen zu beschreiben. Es entzieht sich den üblichen Kategorisierungen wie Roman, Sachbuch, Biographie, Autobiographie - es ist komplex auf drei Ebenen angelegt: zum einen die realistische Beschreibung der Ausbildung des Habichts Mabel, zum anderen die Beschreibung der Lebenskrise der Autorin nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters und drittens die Lebensgeschichte des Dichters T. H. White, der selbst auch einen Falken besaß und über seine Erfahrungen das Buch "The Goshawk" schrieb.
Die Autorin war schon als Kind von Falken fasziniert, las alles was sie finden konnte über sie, lernte die Geheimsprache der Fachausdrücke und durfte, begleitet und angeleitet durch ihren Vater, mit 12 Jahren einen Falken abtragen. Auch als Erwachsene arbeitet sie lange und intensiv mit Greifvögeln, kann auch als Frau selbstbewusst bestehen in der Gemeinschaft der Falkner. Als sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhält, gerät sie in eine tiefe Lebenskrise. Sie erwirbt einen weiblichen Habicht, den sie Mabel nennt und versetzt sich so intensiv in das Wesen des Habichts, dass sie nur mühsam in das reale Leben zurückfindet. Die realistischen Beschreibungen des langwierigen Prozesses der Abrichtung von Mabel und der Jagd mit diesem Vogel, eingebettet in faszinierend detailgetreue Landschaftsbeschreibungen, machen einen großen Reiz dieses Buches aus.
Einen Kontrapunkt setzt ihre sensible Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk von T.H.White. Während sie ihr Inneres zu dem Tier hin öffnet und so gestärkt aus dieser Lebensphase hervorgehen kann, erscheint der am Ende misslungene Zähmungsversuch Whites wie ein kräftezehrender, düsterer Versuch, sich das Tier mit Gewalt zu unterwerfen, der am Ende scheitert.
Es steckt auch eine aufrichtige Fähigkeit zur Selbstreflexion und philosophischen Durchdringung des Geschehens in diesem Buch, die über das Autobiographische weit hinausweist.*
Sehr lesenswert ist auch von Matt Haig "ich und die Menschen", einem sehr vielseitigen Autor, der auch sehr offen über seine Depression schreibt und in diesem Roman sehr realistisch beschreibt wie Außerirdische die Erde und die Eigenarten der Menschen wahrnehmen würden oder von Siri Hustvedt "Damals",die auf der Basis eines alten Tagebuchs autobiographische Coming-of-age- Episoden miteinander verbindet und reflektiert oder von Benedict Wells "Becks letzter Sommer", ein witzig-melancholisches Buch über die Bedeutung von Musik in unserem Leben und über (verlorene) Träume (eine der besten Stellen ist wie er irgendwo in Rumänien Bob Dylan trifft ohne es zu merken und der ihm ein paar echte Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt!) oder von Katja Oskamp "Marzahn - mon amour", ein unbeschreibliches Buch aus dem prallen (Ost-)Leben, liebevolle punktgenaue Beobachtungen von krass unterschiedlichen Lebensgeschichten oder "Leben, schreiben, atmen" der wundervollen Doris Dörrie, eine autobiographische Anregung für die Leser/innen sich zu trauen selbst zu schreiben - jedes Buch eine wirkliche Leseperle auf seine Art...
*written with a little help from Doris K
Daniela